Wie geht Führen heute? Agil, lateral, partizipativ, positiv, situativ? Zahlreiche Begrifflichkeiten und Modelle schwirren herum. Tatsache ist, dass digitale, wirtschaftliche und kulturelle Transformationen, stark durch Covid-19 beschleunigt, in vielen Bereichen und Branchen ein adaptiertes Führungsverständnis erfordern. Doch welche Konzepte führen zum Erfolg? Gibt es allgemeingültige wirkungsvolle Wege und Methoden? Oder ist New Leadership wieder nur ein neuer Modestil im Führungskatalog?
Führung als Funktion
Führung übernimmt innerhalb von Organisationen ganz wesentliche Aufgaben. Es geht um die Reduktion von Komplexität, also um Entscheidungen, es geht um die Entwicklung und das Teilen von Zukunftsbildern, also um Strategien und Visionen, und es geht um die Pflege kultureller und sozialer Aspekte in der Zusammenarbeit, also um eine Vorbildfunktion. Zusätzlich gilt es, die konstanten Veränderungen zu managen. Insofern erfüllt Führung in erster Linie Funktionen – und das unabhängig von Personen.
Nicht nur in agilen, partizipativen Organisationen kommt es vor, dass bestimmte Entscheidungen nicht von der designierten Führungskraft getroffen werden, sondern von einzelnen Experten oder ganzen Teams. Ähnlich verhält es sich bei strategischen sowie zwischenmenschlichen Entwicklungen, um die sich oft genug „einfache“ Teammitglieder kümmern. Manchmal aufgrund von Unvermögen der Führung, manchmal als bewusste oder situative Entscheidung.
Führungspraxis gestaltet sich je nach Situation anders. Das Cynefin-Modell des ehemaligen IBM-Mitarbeiters und Beraters Dave Snowden beschreibt das treffend in vier Szenarien. In einer einfachen, eindeutigen Situation reicht es, sich an Regeln zu halten und Checklisten abzuarbeiten. Ist die Situation kompliziert, mit vielen Variablen, gilt es, auf Experten und Fachwissen zurückzugreifen. Bei komplexen oder gar chaotischen Situationen sind gänzlich andere Entscheidungs- bzw. Führungsstrategien angebracht, von iterativem Ausprobieren bis hin zu entschlossenem und schnellem Handeln. Das bedeutet, Führungsstile müssen immer situationsabhängig angepasst werden. Das Problem dabei: unter Druck und Stress neigen Führungskräfte dazu, instinktiv nach alten Mustern zu agieren anstatt analytisch situativ.
Die essentielle Aufgabe von Führung
Führung ist auch eine Fertigkeit und insofern erlern- und trainierbar. Doch vor allem Anderen ist Führung eine Einstellungssache, abhängig von einer persönlichen Haltung. Wir alle können führen, aber nicht alle wollen, und nicht alle sollen. Immer noch werden in Unternehmen Personen in Führungspositionen befördert, weil sie fachlich herausragend sind. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie für diese Rolle geeignet sind. Die wichtigste, essentielle Aufgabe von Führung ist es, sich um die Menschen zu kümmern, für die man Verantwortung übernommen hat. Der Speaker und Autor Simon Sinek bringt es auf den Punkt: „You are responsible for the people who are responsible for the results.“
Das ist zwar uraltes Wissen, fragen Sie Stammeshäuptlinge, aber in den modernen Arbeitsorganisationen längst nicht angekommen. New Leadership bedeutet, sich vorrangig darum zu kümmern, dass die anvertrauten Menschen ihre Arbeit gut machen können, dass sie Unterstützung und Hilfeleistung bekommen, wenn sie das benötigen, dass sie ihre Stärken und Qualitäten einbringen können, dass sie sich entfalten und weiterentwickeln können. Dafür sind Führungskräfte verantwortlich. Gute Ergebnisse sind eine Folgeerscheinung, ebenso wie hohe Arbeitszufriedenheit und Loyalität.
Neues Führen heißt vertrauen
„Meine Mitarbeiter machen alles für mich“, hat eine Marketingleiterin eines großen Handelsunternehmens in einem Coaching zu mir gesagt – mit Betonung auf dem „alles“. Nach einer kurzen Nachdenkpause meinte sie: „Nein, das stimmt so nicht!“ Nur um den Satz zu wiederholen, diesmal mit der Betonung auf „für mich“. Sie hatte sich immer mit ganzer Kraft für das Wohl ihrer Mitarbeiter eingesetzt und damit die höchste Auszeichnung sowie die größte Macht erworben, die für eine Führungskraft möglich ist: Vertrauen.
New Leadership heißt, sich tagtäglich um dieses Vertrauen zu bemühen, indem man Arbeitskräfte als Menschen sieht, ihnen zuhört, sie respektiert, sie unterstützt, verteidigt, fordert und fördert. Neues Führen heißt, sich im Team zurückzunehmen und mehr von außen am Team zu arbeiten. Auch „Empowerment“ genannt. Also weniger managen, dafür mehr Vorbild und ermöglichender Leader sein. Es liegt an Ihnen, ob Fehler zu einer konstruktiven Lernerfahrung in der Organisation werden oder zu einem Minuspunkt in einer Personalakte. Lassen Sie Ihr Team die Lorbeeren ernten, stecken Sie die Kritiken ein! Artikulieren Sie positive Zukunftsbilder! Versuchen Sie, möglichst klar, transparent und konsequent zu sein. Zeigen Sie Wertschätzung und schenken Sie Vertrauen! Die Menschen, die mit Ihnen arbeiten, werden es erwidern.