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Zusammenarbeit in Unternehmen – wieso es (oft) nicht funktioniert

In meiner Arbeit als Berater wurde ich mehrfach mit dem Wunsch von Unternehmensleitungen (CEO) konfrontiert, die Mitarbeiter bzw. die Führungskräfte der mittleren Ebene mögen doch bitte mehr zusammenarbeiten. Ausgangspunkt der Bitte war, dass die Unternehmensleitung feststellen musste, dass in ihrem (technisch geprägten) Unternehmen ein großes Ausmaß an „Silo“-Denken bei den mittleren Führungskräften vorherrschte. Das Silo-Denken wirkte sich so aus, dass der eigene Bereich (Gruppe, Abteilung) gut in Schuss gehalten wurde, die Belange benachbarter Bereiche dagegen ignoriert bzw. abgewehrt wurden.

Durch dieses Verhalten entstehen in Unternehmen Inseln, welche für sich perfekt organisiert sind, und daneben gibt es Bereiche, welche in Arbeit untergehen. Ein freiwilliger Austausch, eine enge Zusammenarbeit oder eine Übernahme von Aufgaben findet nicht statt. Gewünschtes Verhalten von Seiten der Unternehmensleitung wäre, dass sich die Bereichsleiter zusammensetzen, Probleme besprechen, Informationen über ihre Arbeiten austauschen und gegebenenfalls einander Unterstützung anbieten. Kurz gesagt: Wunsch ist es, dass die Bereiche zusammenarbeiten, im wissenschaftlich Sinn „kooperieren“.

Angetrieben wird dieser Wunsch nach Kooperation von zahlreichen Aussagen in der Management-Literatur, dass kooperatives Verhalten große Vorteile für die Unternehmen bringt. Die dort genannten Vorteile, welche Kooperation bringen soll, sind zum Beispiel:

  • Kooperation erhöht insgesamt die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens, weil Puffer geschaffen werden und dadurch die Flexibilität positiv beeinflusst wird.
  • Kooperatives Verhalten und Austausch erhöht die Kreativität von Lösungen.
  • Kooperatives Verhalten ermöglicht Lösungen, zu denen Einzelne nicht fähig wären („Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“).
  • Kooperation reduziert die Komplexität in Organisationen und verringert Reibungsverluste.

Insgesamt sollen Unternehmen, in welchen eng kooperiert wird, erfolgreicher sein als Unternehmen, in denen Kooperation nur in geringem Maße stattfindet.

Für den Außenstehenden stellt sich dann die Frage, wieso eigentlich nicht kooperiert wird, obwohl doch die Vorteile so evident sind.

Es ist nicht sehr schwer, Gründe zu erkennen, wieso Kooperation aus der Sicht der Mitarbeiter (damit sind auch die mittleren Führungskräfte gemeint) nicht vorteilhaft ist: Kooperation macht zusätzliche Arbeit und kostet Zeit (Koordinierungsaufwand), bei enger Zusammenarbeit ist die Verantwortung für das Ergebnis nicht mehr eindeutig zuzuordnen, im Unternehmen gibt es teilweise „Trittbrettfahrer“, welche Kooperationen ausnutzen, um weniger leisten zu müssen usw. Zugespitzt könnte man sagen: Kooperation führt zu einer Nivellierung, welche demjenigen nützt, der von sich aus wenig leistet und auf Kosten derjenigen geht, die hohe Leistung erbringen. Aus Sicht des Einzelnen erzeugt Kooperation damit eher Nachteile als Vorteile.

Schaut man sich die Situation in den Unternehmen genauer an, fällt auf, dass viele Dinge nicht auf eine Art geregelt sind, welche kooperatives Verhalten unterstützt.

  • Unternehmen definieren ihre Tätigkeiten in festen Prozessen. Diese Prozesse legen auch die Art der Zusammenarbeit fest. Aktivitäten über das in den Prozessen beschriebe Verhalten hinaus sind nicht notwendig und teilweise auch nicht erwünscht, denn dieses Verhalten verlässt den vorgedachten Standard und beeinflusst damit die Qualität der Prozesse.
  • Die hohe Strukturiertheit von Tätigkeiten in Unternehmen erzeugt keine Übung für selbstbestimmte Kooperation. Auch wenn Mitarbeiter kooperieren wollen, fehlen ihnen dazu Beispiele aus der Praxis (best practices). Die Nutzung moderner Web-Tools zur Organisation der Zusammenarbeit wird oftmals durch Vorgaben zur IT-Sicherheit behindert (z. B. ist in vielen Unternehmen die Nutzung von Trello, Slack und anderen Tools nicht möglich).
  • Die Struktur klassischer Organisationen in getrennten Abteilungen und Bereichen erzeugt Eigeninteressen (Silo-Denken) und behindert dadurch Kooperation.
  • In Unternehmen werden individuelle Leistungen von Führungskräften kontrolliert und ggf. honoriert (z. B. durch Zielvereinbarungen mit definierten KPI). Für kooperatives Verhalten hingegen gibt es oftmals keinen KPI. Eine Honorierung ist damit nicht möglich.

Aus der Sicht des Beraters sind Strukturen und Prozesse in den Unternehmen eher kooperationsfeindlich als kooperationsfreundlich.

Aus den genannten Gründen (Kosten für den Einzelnen und kooperationsfeindliche Strukturen und Prozesse) ist freiwillige Kooperation in Unternehmen eher unwahrscheinlich. Wenn sie trotzdem stattfindet, liegt dies mehr am Glück (bzw. am Engagement einzelner Mitarbeiter) als an geplanten Strukturen und Prozessen.

Um Kooperation wahrscheinlicher zu machen, müssen von Unternehmensseite aus folgende Bedingungen geschaffen werden:

  • Den Mitarbeitern muss die Möglichkeit gegeben werden, trotz vorhandener Prozesse eigene Wege der Zusammenarbeit zu bestreiten. Das bedeutet, dass Mitarbeitern mehr Entscheidungs‐ und Handlungsspielraum eingeräumt werden muss, und Mitarbeiter bzw. Führungskräfte der mittleren Ebene eine gewisse Autonomie zur Lösung von alltäglichen Problemen erhalten.
  • Kooperatives Verhalten muss von der Unternehmensleitung nicht nur gewünscht werden, sondern aktiv unterstützt werden. Kooperatives Verhalten muss auch durch das Management vorgelebt werden, damit bei Mitarbeitern ein „Lernen am Modell“ stattfinden kann.
  • Kooperation muss erkannt und anerkannt werden. Das bedeutet, dass die Unternehmensleitung und alle Führungskräfte ihre Achtsamkeit auf kooperatives Verhalten hin lenken und entsprechende Beobachtungen durch positives Feedback unterstützen.
  • Lob für Kooperation alleine genügt aber nicht. Letztendlich sollte kooperatives Verhalten genauso honoriert werden, wie egoistisches Verhalten. Kooperation muss in Zielvereinbarungen aufgenommen werden, und es müssen entsprechende KPI definiert werden.
  • Die geplanten Veränderungen hin zu mehr Kooperation müssen zum Ziel haben, eine offenere Unternehmenskultur zu erreichen, bei der kooperatives Verhalten selbstverständlich wird.