WAYSbetter | Entscheidungsfindung in Teams

Weil beim Entscheiden das „Wie?“ entscheidend ist – die besten Entscheidungstechniken für Teams und Führungskräfte

Die Art und Weise, wie in Teams und Organisationen Entscheidungen getroffen werden, hat einen massiven Einfluss auf das Ergebnis. Trägt die gesamte Gruppe eine Entscheidung mit, wird die Umsetzung kraftvoll sein. Partizipative Entscheidungen erhöhen die Erfolgswahrscheinlichkeit, aktivieren die Gruppenintelligenz und fördern die Anpassungs- und Handlungsfähigkeiten von Teams.

Unser Wirtschaftssystem ist dominiert vom Wettbewerb. Universitäten und Businessschulen trainieren nach wie vor Überleben und Dominanz, um im „harten“ Wettbewerb erfolgreich sein zu können. Die Grundlagen gehen auf Adam Smith, den Vater der modernen Ökonomie zurück. Sein Postulat lautete: „Das beste Resultat erzielt man, wenn jeder in der Gruppe das macht, was für ihn selbst am besten ist!“ Dieser individuelle Ehrgeiz kommt laut Smith dem Gemeinwohl zugute.

Heute beweist die Wissenschaft längst, dass dieser Ansatz mehr mit einer momentanen, denn mit einer modernen Ökonomie zu tun hat. Eine moderne Ökonomie sollte ökologische und soziale Aspekte genauso berücksichtigen wie systemisches Denken, Fühlen und Handeln. Der Mathematiker John Forbes, Begründer der Spieltheorie, sagt: „Das beste Resultat kann erzielt werden, wenn jeder in der Gruppe das tut, was für ihn selbst und die Gruppe am besten ist!“

Diese beiden Pole gilt es zu vereinigen. Auf der einen Seite stehen die psychischen Grundbedürfnisse des Einzelnen: Individualität, Autonomie, Freiheit und Anerkennung. Auf der anderen Seite die Notwendigkeiten, Erfordernisse und manchmal auch Limitationen der Gruppe. Nur ein Sowohl-als-auch kann zum „kooperativen Individualismus“ führen.

Die Voraussetzungen für eine gute Entscheidung

Wichtigste Voraussetzung ist das gemeinsame Ziel bzw. ein gemeinsamer Zweck, dem alle dienen wollen, oder eine Idee, die alle teilen und verbreiten. Daher wird das Ziel zu Recht in Teambuilding-Prozessen in den Vordergrund gestellt. Die zweite wesentliche Voraussetzung ist allerdings vielen gar nicht bewusst: Es muss im Team auch Klarheit darüber herrschen, WIE entschieden wird. Nur so kann Eigeninteresse und das Interesse der Gruppe effektiv unter einen Hut gebracht werden.

Dritter wichtiger Aspekt ist eine möglichst gute Vorbereitung der Entscheidung. Worüber wird überhaupt entschieden? Aus welchen Optionen gilt es zu wählen? Haben alle, die mitentscheiden, die nötigen Informationen? Werden alle wesentlichen Stakeholder einbezogen? Um keine Frustration entstehen zu lassen, sollte der Aufwand für die Entscheidungsvorbereitung in einem vernünftigen Verhältnis zur Bedeutung der Entscheidung stehen. Bei wichtigen Weichenstellungen, bei denen Ungewissheit und Risiko hoch sind, kann eine methodische Unterstützung des Entscheidungsprozesses durch externe Berater allerdings sehr sinnvoll sein.

Wie heute in Organisationen entschieden wird

In Organisationen wird meist nicht nach formalen Entscheidungsverfahren entschieden. Wenn formale Möglichkeiten zum Einsatz kommen, handelt es sich häufig um Mehrheitsentscheidungen (einfache oder 2/3-Mehrheit). Der große Nachteil dieser Methode liegt darin, dass Widerstände und Ablehnung nicht berücksichtigt werden, wodurch die Tragfähigkeit und Kraft solcher Entscheidungen brüchig sein kann. In manchen Teams wird bereits versucht, einen Konsens zu erzielen. Wenn das nicht funktioniert, darf wieder die Mehrheit entscheiden oder die Führungskraft „fährt“ drüber. Sehr oft sind auch noch autoritäres Command & Control sowie Vetorechte durch Vorgesetzte anzutreffen.

Die besten Methoden zur Entscheidungsfindung

1. Wenn es einfach sein soll: die basisdemokratische Abstimmung

Der Vorteil: Mehrheitsentscheidungen kennen alle – auch aus dem Kaninchenzüchter- oder Briefmarkensammlerverein. Wer ist dafür? Wer dagegen? Per Handheben eine einfache Sache. Funktioniert bei zwei Alternativen schnell und einfach, aber bei mehreren Alternativen muss man vorab ein paar Regeln vereinbaren: Wie gehen wir mit Enthaltungen um? Braucht eine Entscheidung eine „qualifizierte“ Mehrheit (mehr als 50 % Zustimmung) oder genügt eine einfache Mehrheit?

Wenn mehrere Alternativen zur Auswahl stehen, können von den Mitgliedern der Gruppe Punkte für die einzelnen Alternativen vergeben werden. Es „gewinnt“ dann diejenige Alternative, welche die meisten Punkte auf sich vereinen konnte. Als einfache Regel gilt, dass jedes Teammitglied so viele Punkte zu vergeben hat, wie es der Hälfte der Alternativen entspricht. Wenn also zum Beispiel 6 Alternativen zur Auswahl stehen, kann jedes Mitglied 3 Punkte verteilen. Die Punkte können entweder auf 3 Alternativen verteilt werden, oder man kann einer Alternative mehrere Punkte geben. Diese Methode erzeugt hohe Transparenz über die Präferenzen von Alternativen in der Gruppe und führt zu eindeutigen Entscheidungen.

2. Wenn es für alle wichtig ist: sich auf einen Konsens einigen

Konsens bedeutet Übereinstimmung von mehreren Personen zu einem Thema. Konsens-Entscheidungen sind dann Entscheidungen ohne Widerspruch. Dies kann bei sehr wichtigen Themen gewünscht sein. Kein Widerspruch muss aber nicht immer bedeuten, dass alle die Entscheidung vollinhaltlich mittragen. Man kann bei einer Konsensentscheidung auch weiterhin Bedenken haben und diese äußern, oder man kann sich ganz enthalten. Es kann selbst dann von einer Konsensentscheidung gesprochen werden, wenn jemand schwere Bedenken äußert, aber auf einen formalen Einspruch verzichtet, um die Entscheidungsfähigkeit der Gruppe nicht zu behindern. Im Extremfall führt dies zu „Gruppendenken“: berechtigter Widerspruch wird nicht geäußert, um den Konsens nicht zu gefährden. Dieses Verhalten kann die Qualität der Entscheidungen negativ beeinflussen.

Der Wille, Konsensentscheidungen herbeizuführen, kann sich auf eine Gruppe teilweise lähmend auswirken. Es funktioniert oft nur dann, wenn wer zurückzieht. Oder es schwenken alle früh auf einen Konsens ein und berechtigte Widersprüche werden nicht geäußert. Sozialpsychologische Untersuchungen von Irving Janis zu gravierenden Fehlentscheidungen amerikanischer Regierungen haben die negative Auswirkung von Gruppendenken eindrücklich belegt.

3. Wenn es alle betrifft: einen Konsent erzielen

Der Begriff und die Methode „Konsent“ stammen aus der Soziokratie, eine Form der agilen Selbstorganisation, die auf den Reformpädagogen Kees Böke zurück geht und häufig bei NGOs anzutreffen ist. Es handelt sich dabei um keine Form der Zustimmung, sondern um eine Methode, etwas nicht abzulehnen. Wenn die Teilnehmer an einer Entscheidung keine tragfähigen und nachvollziehbaren Argumente gegen einen Vorschlag haben, gilt dieser als angenommen. Ein Konsent muss gut moderiert sein: zuerst das Problem skizzieren, dann Lösungsvorschläge einholen, Verständnisfragen klären, schließlich Meinungen einholen und letztendlich nach schwerwiegendem Einwand fragen.

Einen Konsent zu erzielen, kann ein langwieriger Prozess sein, da jeder Einwand (wie ein Veto) berücksichtigt werden muss. Andererseits können so sehr tragfähige Lösungen bei komplexen Entscheidungen in kleinen bis mittelgroßen Gruppen entstehen.

4. Wenn es rasch und nachhaltig sein soll: Systemisches Konsensieren

Beim Systemischen Konsensieren handelt es sich um eine Widerstandsmessung in der Gruppe. Abgefragt wird, wie sehr jemand gegen etwas ist. Für den individuell gefühlten Widerstand lassen sich Punkte vergeben. Anders als bei Konsent, bei dem stark argumentativ agiert wird, werden hier auch emotionale Aspekte in die Entscheidung miteinbezogen. Zuerst werden gemeinsam Wünsche an eine gute Lösung definiert, dann Lösungsvorschläge gesammelt, Verständnisfragen geklärt, Vorschläge gegebenenfalls adaptiert und schließlich einzeln bewertet. Der Vorschlag mit dem geringsten Widerstand hat den größten Konsens erzielt und gilt als angenommen, außer es sprechen einzelne schwerwiegende Widerstände dagegen, die wiederum in neue Lösungsvorschläge einfließen können.

Diese Methode verlangt zwar Übung und Erfahrung von den Teilnehmern, bietet aber eine Fülle an Vorteilen: Die Lösungskompetenz und Entscheidungsfähigkeit der Beteiligten wird deutlich erhöht, es stärkt das Wir-Gefühl einer Gruppe, fördert tragfähige und nachhaltige Entscheidungen, kann Blockaden lösen und Konfliktpotenzial in hohe Umsetzungsenergie umwandeln. Zudem wird die aufgewendete Zeit effektiv und effizient genutzt.

5. Wenn es für Entscheider wichtig ist: konsultativer Einzelentscheid mit Beratung

Der konsultative Einzelentscheid kombiniert das Wissen von Vielen mit der Kompetenz des Einzelnen. Zunächst geht es darum, den richtigen Entscheider oder auch die richtige Gruppe von Entscheidern auszuwählen. Dies sind Menschen, die sich bei einem Thema besonders gut auskennen oder die für eine Entscheidung verantwortlich sind. Um die Qualität der Entscheidung zu verbessern, werden Berater hinzugezogen. Am Ende präsentiert der Entscheider die Lösung.

Um die Berater konstruktiv einzubinden, empfiehlt sich ein Vorgehen in fünf Stufen in Anlehnung an die Balint-Gruppen. In Stufe 1 stellt der Entscheider das Problem vor und die Berater hören zu. Anschließend können in der zweiten Stufe die Berater Fragen zum Problem stellen, die der Entscheider beantwortet. Die dritte Stufe zeichnet sich dadurch aus, dass der Entscheider nur zuhört, während die Berater über Ursachen, Hintergründe und beeinflussende Faktoren des Problems spekulieren. Die Berater sprechen über den Entscheider und sein Problem, aber nicht mit ihm. Es ist wichtig, dass in der dritten Stufe (noch) keine Lösungsvorschläge gegeben werden. In der vierten Stufe wenden sich die Berater dann dem Entscheider zu und sagen jeweils einzeln, wie sie entscheiden würden und welche Gründe zu dieser Entscheidung geführt haben. In der fünften und letzten Stufe teilt der Entscheider den Beratern mit, welche neuen Perspektiven er kennengelernt hat und welche Vorschläge er bei seiner Entscheidung berücksichtigen möchte. So behält der Entscheider die Autonomie über die Entscheidung, lernt aber andere und neue Perspektiven kennen.

6. Wenn es hoch riskant ist: rational mittels FORDEC-Methode

„Klassische“ Organisationen bevorzugen Entscheidungen auf Basis sachlicher Argumente. Um auch in Phasen mit hohem Druck und Stress zu sachlichen Entscheidungen zu kommen, bietet sich die FORDEC-Methode an. FO2RDEC wurde für High Risk Organizations entwickelt, wo die systematische Bewertung von Risiken unabdingbar ist. Das rein sachliche Vorgehen kann auch hilfreich sein, wenn über konfliktbeladene Themen entschieden werden muss. Bei dieser Methode wird in mehreren Stufen vorgegangen, wobei der Name FORDEC ein Akronym ist.

F – Facts: Zu Beginn werden reine Fakten gesammelt, ohne dass diese bewertet werden: Was ist unser Problem, was wissen wir darüber, etc.?

O1 – Objective: Was wollen wir erreichen, was ist unser Ziel?

O2 – Options: Welche Handlungs- oder Entscheidungsalternativen gibt es? In dieser Stufe sollen möglichst viele Alternativen gesammelt werden. Ähnlich wie beim Brainstorming werden die Alternativen noch nicht bewertet.

R – Risks: Für jede einzelne Handlungsalternative werden die Risiken und die Chancen bewertet. Dazu können z.B. Risiken und Vorteile jeweils mit 0 bis 5 Punkten bewertet werden.

D – Decision: Diese ergibt sich praktisch von alleine, wenn die Punkte für Risiken und Vorteile gegeneinander aufgerechnet werden. Diejenige Alternative mit den höchsten Punkten wird ausgewählt.

E – Execution und C – Check vervollständigen dann die Schritte zu einem Deming-Zyklus (plan, do, check, act).

Die Wahl der Entscheidungstechnik hängt nicht nur von der Situation ab, aus der heraus entschieden wird, sie muss auch zu den Teams und Führungskräften passen, die sie anwenden. Es ist also zusätzlich eine Frage der Reife, der Kultur und der Einstellung. Und bei manchen Verfahren braucht es natürlich das nötige Know-how sowie Erfahrung.