Projektarbeit, Expertengruppen, Kollegialorgane, selbst die Arbeit an Alltagsthemen mit Kolleg*innen aus der eigenen Abteilung oder aus benachbarten Abteilungen oder aus Kunden- bzw. Lieferantensystemen, überall stoßen wir auf das Phänomen der Führung OHNE Weisungsbefugnis. Das „Richtige“ zu entscheiden wird mehr und mehr zu einem Verhandlungsprozess, nicht nur weil Inhalte und Fragestellungen immer komplexer werden. Wissen, Engagement und Umsetzungspower sind die neuen Währungen, die sinnhaft kombiniert langfristig zum Erfolg führen.
Führen MIT Weisungsbefugnis funktioniert zwar noch immer, wird aber bei Chef*innen und auch Mitarbeiter*innen zusehends unbeliebter und von einem Trend zum Arbeiten auf Augenhöhe abgelöst. Entscheidungen werden besser akzeptiert, wenn die Einbindung vorab ehrlich und unvoreingenommen stattgefunden hat. Aus den Ergebnissen der Forschung zur Transaktionsanalyse wissen wir, dass Kommunikation, sobald sie die Ebene „Erwachsener zu Erwachsener“ verlässt, oftmals problematisch werden kann. Von oben nach unten zu kommunizieren birgt immer die Gefahr einer rebellischen oder einer angepassten Reaktion. Beides führt im Unternehmenskontext zu unangenehmen Nebenerscheinungen, vorausgesetzt es handelt sich nicht um eine Krisensituation oder eine Hochrisikoorganisation (Beispiel Operationssaal).
Offene oder verdeckte Rebellion führt zu Reibungsverlusten, die sich selten konstruktiv entladen, sondern überwiegend destruktiv, da sie nicht auf der Sachebene, sondern auf der Beziehungsebene stattfindet. Angepasstheit oder Überangepasstheit gleiten schnell in Untiefen wie Dienst nach Vorschrift, Unengagiertheit, innerliche Kündigung und immenser Vergeudung von Ideen- und Wissenspotential ab.
Konfoliktlösunginnerhalb einer Organisation
Sobald wir innerhalb einer Organisation agieren, sind wir nicht mehr frei in unserer Rollengestaltung. Sei es nun Start Up oder Multi, wir treffen auf einen organisationalen Rahmen, den wir akzeptieren, sobald wir in das Unternehmen eintreten. Diese Rolle, die wir ausfüllen, führt auch dazu, dass wir bestimmte Teilinteressen der Organisation vertreten, ob das nun die Region A, das Produkt B, das Projekt C oder einfach nur die Stabstelle D ist – immer gibt es eine für uns persönlich relevante Umwelt, die zu einer ganz bestimmten Rationalität führt. Der Klassiker ist das Spannungsfeld zwischen Produktion und Vertrieb. Die einen werfen den anderen vor, ständig etwas zu versprechen, das die Produktion nie leisten kann, die anderen bekommen zu hören, dass mit diesen Vorlaufzeiten, Stückkosten oder Losgrößen nichts mehr an den Mann zu bringen sei.
Ausgetragen wird der Konflikt meist zwischen den zuständigen Ressortverantwortlichen. Entweder sie konzentrieren sich dabei auf Beziehungsmanagement und Konfliktvermeidung, oder sie sind nach Jahren der Verhandlung so erschöpft und zerstritten, dass Verständigung auf dieser Ebene nicht mehr funktioniert, sodass man das auf unteren Ebenen idealerweise in einer lateralen Beziehung auf Augenhöhe klärt.
Die Position des anderen verstehen, zu akzeptieren und einen „Common Playground“ für die Zusammenarbeit und Zielerreichung zu finden, ist der Schlüssel für eine gute Verständigung. Aber Achtung: Hier gilt es dranzubleiben, denn Positionen ändern sich oft rasch und der gemeinsame Verständigungsraum muss ständig erneuert werden.
Formate, die Vertrauen und Verständigung fördern
Der Heurigenbesuch oder das Skiwochenende sind für Verständigung (außer vielleicht als Rahmenprogramm) keine geeigneten Formate. Es braucht zielgerichtete teamorientierte Settings, die klare Rahmenbedingungen haben und echte Kommunikation und Konfrontation erlauben – und üblicherweise extern moderiert und begleitet werden.
Vertrauen ist eine Investition und beruht auf dem Prinzip der Reziprozität. Das Feld der Verhaltensmöglichkeiten reicht von grundsätzlichem Misstrauen (man denke an die Konzernrevision) bis hin zu simpler Naivität. Egal wo man sich selbst verortet, die Entscheidung, wie man situativ Vertrauen signalisiert, erwirbt oder wieder entzieht, ist höchstpersönlich und folgt dem eigenen Menschenbild und der Beurteilung spezieller Situationen und Konstellationen. Jedenfalls entsteht Vertrauen nur durch vertrauensvolles Verhalten, es wächst langsam und ist „wie ein Vogerl“, das beim ersten Hauch von Missbrauchsverdacht sich auf und davon macht – oft unwiederbringlich.
Was bei Leadership wirklich zählt
Sobald die Nutzung der Weisungsbefugnis als Methode der Willensdurchsetzung ausgeschlossen ist, geht es ans Eingemachte. Wenn die üblichen Führungsinstrumente wie Mitarbeiterbeurteilung, Bonusauszahlung, Teilnahme an Entwicklungsprogrammen, Beförderung, Versetzung oder Trennung usw. nicht zur Verfügung stehen, zählt nur mehr das, was uns als Experte, Mensch und Teil der Organisation WIRKLICH ausmacht, nicht der Titel an der Tür, nicht die Macht qua Position.
Expertenwissen, Organisationswissen und Business-Know-how sind die Währungen, die dann zählen. Fit zu sein in den Bereichen, die man als Kernkompetenz für sich in Anspruch nimmt. Und angesichts sinkender Halbwertszeiten von Wissen macht es Sinn, seine persönliche Learning Cloud ständig upzudaten und zu erweitern. Auch der persönliche fachliche Ruf im Unternehmen (zB ein „Macher“ zu sein), immer zu „liefern“ und zusätzlich noch verlässlich, freundlich und gut vernetzt zu sein, tragen dazu bei, im Kreise der Kollegen unausgesprochen als LEADER akzeptiert zu werden.
Im Zusammenspiel der Faktoren Verständigung, Vertrauen und Macht ergibt sich die Besonderheit, dass laterales Führen auch dann möglich wird, wenn einer der drei Faktoren schwach ausgeprägt ist oder gar negativ beurteilt wird.
Einige Beispiele
Der langjährige Arbeitskollege, mit dem man schon viele erfolgreiche Projekte und anschließende Feiern durchlebt hat, braucht nicht lange argumentieren und kommunizieren, um einen zu überzeugen. Da ist soviel Vertrauen da, dass man blind folgt.
Der ausgewiesene Datenbankexperte, den man unlängst vom Wettbewerber teuer rekrutiert hat, braucht im Unternehmen noch keinerlei Vertrauensbasis. Seine Expertenmacht sichert ihm Gehör und Einfluss.
Der Key-Accounter aus dem benachbarten Geschäftsfeld hat im neuen CRM-Projekt vermutlich ähnliche Interessen wie ich als Vertriebler, also wird alles, was der zum Besten gibt, erst mal kräftig unterstützt.
So trivial funktioniert laterales Führen! Die Systematik ist eingängig und hoch praxisrelevant. Um die persönliche Wirksamkeit zu erhöhen, gilt es sich sein persönliches Toolset zu erarbeiten oder bei WAYSbetter ein Training zu buchen.